Fieberfrei und motiviert haben wir uns via Zug und Bus wiedermal nach Mettupalayam durchgeschlagen, wo wir am nächsten – viel zu frühen – Morgen endlich den lang ersehnten Nilgiri Toytrain besteigen. Angetrieben bzw. angeschoben von einer uralten Dampflok aus der Schweiz bewegen wir uns teilweise nur im Lauftempo die Nilgiri Mountains hinauf. Es zischt, es dampft, es riecht nach Schmieröl und Kohle und die alte Dampfpfeife dröhnt vor jedem Bahnübergang oder bei jeder Kuh auf den Schienen. Jede Stunde gibt es zehn Minuten Pause um wieder Wasser nachzufüllen und um die alte Lady ein wenig zu schmieren. Ein richtiges Highlight für alle Zugliebhaber.
Obwohl wir in den ca. 4,5 Stunden nur 45 Kilometer zurücklegen überqueren wir unzählige Brücken und Tunnels, passieren traumhafte Wiesen, Wälder und Teeplantagen.
Umso mehr stört es uns,dass unsere indischen Sitznachbarn (wie immer) deren Müll einfach aus den Fenstern werfen. Als Martin darauf hinweist den Müll doch bitte bei der nächsten Station in den dafür vorgesehen Eimer zu werfen, erntet man mal wieder verstörte und wütende Blicke und beim nächsten Halt haben die Umweltsünder schwuppsdiwupps das Abteil gewechselt um weitere Diskussionen mit uns „Öko-Freaks“ zu vermeiden.
In der knapp 2000 Meter höher gelegenen Stadt Ooty angekommen, fragen wir uns was wir hier eigentlich einen halben Tag und eine ganze Nacht lang anstellen sollen, bis unsere Dampflok wieder runter rollt. Nach dem Einchecken im Homestay ziehen wir los um die Überreste der britischen Kolonien zu entdecken, doch schon nach einer Stunde sehen wir unserem persönlichen Tempel der Freude :„DOMINO‘s PIZZA HOUSE“. Nach fast vier Monaten Pizzaabstinenz bei Martin stürzen wir uns wie Raubtiere auf das wunderbar runde und mit Käse überzogene Objekt der Begierde. Tja, die kleinen Freuden des Alltags bei einer solch langen Reise sind halt oft die Schönsten.
Zehn Minuten später ,am hiesigen Fleischmarkt kämpfen wir dagegen an zu Wiederkäuern zu mutieren und die Pizza am dafür vorgesehenen Platz zu behalten. Umgeben von Schafsköpfen, blutigen Fleischermessern und finsteren Ecken, prall gefüllt mit Schädeln, Zähnen und Knochen, ähnelt das Ganze einer Horrorfilm-Kulisse. Ein wenig blass im Gesicht verlassen wir den Ort des Grauens. Am nächsten Tag nützen wir die restliche Zeit vor der Talfahrt um uns noch den hochgelobten botanischen Garten anzusehen. Da hier in Indien alle Unternehmen und Sehenswürdigkeiten beim Eingang unsere Daten in sogenannte „Visitor-Books“ eingetragen haben wollen ( da beschwert sich mal wer über Facebook ), haben wir damit begonnen uns Zweitnamen anzulegen. Als „Santa Claus und Mrs. Claus from Northpole“ marschieren wir in den Park, werden von ganzen Schulklassen zu Gruppenfotos gezwungen und nachdem Martina von zirka. zwanzig Mädels im Gesicht betatschelt wurde flüchten wir dann doch in Richtung Bahnhof.
Bei der Talfahrt in der Dampflok kommen wir mit einer deutschen Dame ins Gespräch die hier einen Monat pro Jahr als Volontärin tätig ist. Dem Martin ist die Dame ein wenig zu sehr auf Bachblüte und er lenkt sich eher damit ab zu versuchen, den Leuten im Nachbarabteil beizubringen den Müll nicht aus den Fenstern zu werfen. Auf diese Situation bereits vorbereitet, haben wir vorsorglich ein Papiersackerl organisiert, und bieten den Indern an, ihren Müll quasi bei uns zu entsorgen. Leicht verwundert schnappt sich ein Herr unser Müllsackerl und setzt schwungvoll dazu an, dieses aus dem Fenster zu werfen was bei Martin zu einem „Oh my God, NOOOO!!!„ Aufschrei führt. Total erschrocken liefert der Mann das Sackerl wieder bei Martin ab.- Jaja, immer diese verrückten Touristen.

Am nächsten Morgen begeben wir uns mit dem Zug – was erstmal unsere letzte Zugfahrt sein wird – in Richtung Norden. Die achtstündige Zugfahrt ist eine Mischung zwischen Würfelpoker-Zocken und Kakerlakenabwerhrstrategietests. Wenn plötzlich aus allen Löchern die Viecher raus kriechen, dann kann es einem echt grausen. Nachdem Martina seit dieser Fahrt unter Paranoia leidet und ständig und überall sämtliche Ritzen und Löcher auf Ungeziefer kontrolliert (dabei meistens leider auch fündig wird) und bei Martin in regelmäßigen Abständen ein Pseudojuckreiz einkehrt, sind die Zugfahrten mit der indischen Railway vorerst gestrichen. Eine Alternative wird gesucht und auch bald gefunden: Der gute alte Bus!

In Kannur schütteln wir am Bahnhof alle unerwünschten Passagiere aus unseren Rucksäcken und freuen uns darauf uns am nächsten Tag voll uns ganz auf das Theyyam Ritual zu konzentrieren. Die Jahrtausende alte Vorführung der Verwandlung vom Menschlichen zum Göttlichen und die damit verbundenen Zeremonien sind ein farbenreiches Spektakel. Man kann über Stunden hinweg beobachten, wie der Theyyam sich die Wünsche und Sorgen der Menschen anhört, Ratschläge und den Segen gibt. Im anderen Zelt wird bereits von drei Assistenten der nächste Theyyam für seinen Einsatz geschminkt, angezogen und geschmückt, während draußen die Trommler auf ihre Felle schlagen. Auch wenn es ein wenig an den „Nikolaus-Tag“ erinnert, wird man trotzdem vom Mystischen in den Bann gezogen. Nachdem das Spektakel aber noch über die ganze Nacht dauert, beschließen wir nach ein paar Stunden, und dem Ende der ersten Theyyam-Show, schlafen zu gehen.
Am nächsten Tag machen wir uns daran hunderte Adler an der Küste zu beobachten und dürfen gegen kleines Eintrittsgeld auch auf den nahe gelegenen Leuchtturm hinauf. Nach zehn Minuten heißt es, dass unsere Zeit um ist und wir wieder runter müssen, doch nach ein bisschen lästigem Betteln lässt sich der Wächter dazu überreden uns oben einzusperren und uns in einer Stunde wieder abzuholen. Schließlich ist der gute Mann sehr beschäftigt und kann hier ja nicht ewig mit uns am Leuchtturm bleiben. So dürfen wir eine ganze Stunde völlig ungestört die Adler bestaunen und die Aussicht genießen. Wobei Genuß stelle ich mir anders vor. Während Martina fröhlich und amüsiert am Abgrund hängt, habe ich das Gefühl, dass der ganze Turm nur schaukelt, das Geländer ohnehin lächerlich niedrig ist und denke darüber nach ob im Fall der Fälle der Absprung auf eine Palme gefolgt von einer Karate-Rolle mein Überleben sichern würde. Höhenangst „is scho schiach“. Als Martina anfängt auch noch blöde Witzchen zu machen, wünsche ich mir, (da sie ja dafür prädestiniert ist ständig von Möwen am Kopf getroffen zu werden) dass sich so ein Adler doch mal erbarmt und Rache für mich übt. Auch das gemeinsame klassische Touri-Foto am Geländer erweist sich als überaus kompliziert, wenn man nicht an das blöde Geländer will.
Nach mehr als einer Stunde bin ich erlöst und noch am Abend genießen wir die Bussfahrt nach Mysore. Aus irgendeinem Grund glauben die indischen Busfahrer, dass wenn man schon für eine Klimaanlage bezahlt, dass man diese auch voll ausnützen sollte. Bei ca. 15 Grad Celsius legen sich jedoch auch alle Insekten in den Winterschlaf und so genießen wir zum ersten Mal eine Fahrt ohne Kakerlaken.
Als Ersatzprogramm erwischen wir in Mysore jedoch ausgerechnet ein Hotel mit Bettwanzen. Ach naja, wir sind halt Backpacker. Zerbissen und von Juckreiz geplagt lernen wir auf der Straße den kleinen Mustafa kennen, der behauptet ein Kilo Rindfleisch zum Frühstück zu verdrücken. Mustafa führt uns in diverse Hinterhöfe in denen es kleine regionale Unternehmen gibt. Ältere Männer die den ganzen Tag massenweise Beedis (eine Art Zigaretten) für den Verkauf drehen oder Frauen die Räucherstäbchen rollen. (aber dazu später noch mehr) Mysore hat einen riesigen Palast, doch leider werden hier Touristen ganz offen geprellt und der Eintritt kostet für uns zehnmal! mehr als für Einheimische. Nicht mit uns, denken wir uns und marschieren einfach rein. (wir müssen ja sparen und als blöd und blind kann man sich ja noch immer ausgeben)
Leider sind wir auch ein wenig enttäuscht als uns Mustafa zwar zum Frühstück zu seiner Familie einlädt, jedoch uns danach nie wieder kontaktiert. Nachdem wir unser extra organisiertes Gastgeschenk, einen Früchtekorb, selber verdrücken fahren wir auch schon weiter nach Bangalore – von uns „McDonalds City“ gennant. Aber dazu das nächste Mal…

 

2 thoughts on “Toytrain & Gods”

  1. Das kling ja alles wieder sehr aufregend…euch wird ja richtig fad werden, wenn ihr in Amerika herumreist, so ganz ohne Bettwanzen, obwohl…das würde sich schon einrichten lassen ;-)
    Liebe Grüsse
    Marlene

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