Von Ahmedabad gehts mit dem Nachtbus nach Jodhpur. Im Halbschlaf weckt uns kurz vor sechs Uhr morgens das Gebrüll des Schaffners „Jodhpur! Jodhpuuuurrr!!!“ und wir krabbeln müde aus unseren Schlafkojen.
Kaum aus dem Bus gestolpert fällt – wie immer – eine Horde Rikschafahrer über uns her. Sie umzingeln uns regelrecht während wir noch dabei sind uns die Augen zu reiben und die Riemen an unseren Rucksäcken festzuziehen. „Where do you want to go?“ “Sir? SIR? SIR! SIR!!!!” “Fair price, come with me!”.

Warten aufs Zimmer

Müde und noch nicht wach genug um uns zur Wehr zu setzen werfen wir uns samt Gepäck in die nächste Rikscha und lassen uns zu einem Guesthouse bringen. Das Erste ist voll, das Zweite ist nicht schön und im Dritten heißt es wir sollen erstmal auf der Dachterrasse frühstücken bis ein Zimmer frei wird.  „No Problem ,no Problem relax“, heißt es. Zwei Stunden, einen French-Toast und einer netten Unterhaltung mit drei italienischen Mädels später, gibt es dann doch ein Problem – nämlich kein Zimmer für uns – und wir landen in einem anderen Guesthouse ein paar Meter weiter bei einer sehr netten Familie.
Jodhpur selbst, ist als die „blaue Stadt“ bekannt was an der blitzblauen Farbe der Altstadthäuser liegt. Überall gibt es Dachterrassen-Restaurants und wenn man die unzähligen Stufen erklommen hat, wird man mit einem tollen Blick auf die eindrucksvolle Festung Meherangahr belohnt.
Beim Mittagessen lernen wir unsere Zimmernachbarn Jana und Jonas kennen und man ist sich sofort sympathisch. Das Pärchen aus Deutschland ist bereits seit acht Monaten unterwegs und Indien ist ihre letzte Station vor der Heimreise. Man erzählt sich ein paar Geschichten, tauscht Reiseerfahrungen aus und plötzlich ist es auch schon fast Zeit zum Abendessen. Wir beschließen, am nächsten Tag gemeinsam zu einer Sarifärberei ein paar Kilometer außerhalb der Stadt zu fahren. Der Rikschafahrer – typisch Geschäftsmann – bringt uns zu einem Sari-Outlet-Store wo er eine fette Provision kassiert, wenn wir etwas kaufen würden.

Jonas Füße

Wir erklären ihm, dass wir nichts kaufen wollen sondern zu einer Färberei wollen, doch er zuckt nur ratlos mit den Schultern und braust davon.
Also geht’s zu Fuß weiter. Jonas Füße sehen zwar so aus, als hätten wir uns kilometerweit durch unwegsames Gelände gekämpft, doch es ist nur der typische Straßendreck Indiens von einer halben Stunde Fußmarsch gepaart mit Jonas eigenwilligem „Schlurf-Laufstil“.

VON UNTEN

Wir finden eine Straße, in der eine Färberei neben der Anderen steht und dürfen nach nettem Nachfragen den Arbeitern eine Weile beim Bedrucken der Stoffbahnen zusehen und Fotos machen. Die Farben werden Schicht für Schicht von Hand mit einer Art Siebdruckverfahren auf die Stoffbahnen aufgetragen. Nach dem Waschen werden die 30 Meter langen Stoffbahnen zum Trocknen auf hohe Gerüste gehängt. Wenn man zwischen den feuchten Stoffbahnen steht und der Wind durchbläst, muss man nur die Augen schließen und schon fühlt man sich wie am Strand mit einer frischen Brise vom Meer.
Am Weg zurück nach Jaisalmer statten wir dem Maharadscha-Palast noch einen schnellen Besuch ab. Wir quetschen uns zu viert in eine enge Rikscha und fahren den steilen Weg Richtung Palast hinauf. Die Rikscha fängt zuerst an leicht zu rauchen, dann heftig zu qualmen und kurz vor der Explosion bleibt der Fahrer schließlich stehen und wir müssen aussteigen.

VON OBEN

Alle Versuche den Motor mit kaltem Wasser zu reanimieren scheitern und fahren mit der Konkurrenz weiter.

Jana und Jonas reisen nach dem Abendessen Richtung Jaisalmer ab und da das auch unser nächstes Ziel ist, ist klar, dass wir uns dort wiedersehen.
Uns gefällt es in Jodhpur, wir bleiben insgesamt fünf Tage, essen gut auf den Dachterrassen mit Blick auf das Fort und machen eine Audioguide-Führung in eben diesem. Die Telefonsex-Männerstimme mit charmantem Akzent aus dem Audioguide erzählt uns witzige und interessante Details über die Festung. Man spaziert durch dicke Tore, die mit Eisenspitzen versehen sind um Elefanten davon abzuhalten sie durchzubrechen und vorbei an deutlich sichtbaren Einschlaglöchern von Kanonenkugeln. Auch architektonisch hat das Fort einiges zu bieten und die ganzen Eindrücke werden von Musikern mit traditionellem Gesänge aus Rajasthan untermalt.


Ein paar Tage später machen wir uns im Nachtbus ebenfalls auf den Weg in die Wüstenstadt Jaisalmer. Beim Einsteigen beschließt Martina noch  unserem Bus-Einweiser fast an die Gurgel zu springen, als er uns sagt dass wir unser Gepäck doch bitte gefälligst in unser kleines Schlafabteil zu stopfen sollen,  weil der Gepäckraum noch für private “Extragschäftln” genützt wird. Dieser Agressionsüberschuss lag wohl daran, dass der selbe Typ auch noch den Nerv gehabt hat uns das Hotel von seinem Bruder anzupreisen. Leider vergisst Martina, dass auch der indische Käse, so furchtbar dieser auch ist, ebenso aus Milch besteht und als Zeichen des Protests ihr Magen hier auf Rückwärtsgang schaltet.   Wir haben im Blog schon mal erwähnt, dass in indischen Bussen immer – ja, wirklich IMMER – jemand kotzt. Diesmal war es Martina. Die Situation will nicht näher beschrieben werden.
NEIN, doch, das muss hier einfach rein. Situation im Bus : Martin schläft am Fenster, Martina muss dringend zum Fenster, Martin weicht aus, Martina übersieht die Tatsache, dass Busfenster keine Lichtschranken haben und sich nicht von selbst öffnen, Martina knallt gegen die Fensterscheibe, Martin muss lachen und wird zusammen mit den anderen Mitfahrenden mit nicht so tollen Düften von Martina belohnt. ( sollte das jetzt alles ganz schlimm klingen, nein nein, das gehört zum Alltag der Backpacker. Ist ja kein Sektschlürfen im Falkensteiner )
Helmut Um vier Uhr morgens stehen wir dann vor verschlossenen Pforten des Hotel Artist in Jaisalmer, das von Helmut, einem Oberösterreicher, betrieben wird. Nach mehrmaligem Klopfen und lautem Rufen, öffnet uns Helmut verschlafen die Tür. Er bietet uns Caj an, doch wir wollen nur ein Klo, ein Bett und einen Eimer. Weil Helmut wegen einer Verletzung am Fuß schlecht laufen kann, schickt er Martin ins Hotelrestaurant wo die Angestellten am Boden schlafen. (Ja, das ist normal hier in Indien. Für viele Menschen ist der Arbeitsplatz gleichzeitig zu Hause. Rikschafahrer schlafen auf den Rücksitzen, Hotelangestellte auf Matratzen an der Rezeption oder im Restaurant, ebenso wie Ladenbesitzer.) Die Boys im Restaurant befinden sich in einem nahezu komatösem Tiefschlaf. Martin rüttelt, schreit und spritzt ihnen Wasser ins Gesicht, doch um einen der Jungs zu wecken hilft dann doch nur die gute alte “Watschen”.
Wir beziehen das Zimmer und erholen uns von den Strapazen. Am nächsten Tag gibt es ein Wiedersehen mit Jana und Jonas und wir besichtigen gemeinsam die Wüstenstadt.

Fort Jaisalmer

Die gelben Befestigungswälle aus Sandstein, die sich aus der Wüste Thar erheben, sehen aus wie ein Bild aus Tausendundeiner Nacht. Spaziert man durch die Festungsstadt – welche nach wie vor bewohnt ist – fühlt man sich wie im Mittelalter – nur Autos und Strom erinnern daran, dass wir uns im Jahr 2012 befinden.
Am nächsten Tag ist es für Martin Zeit, Wettschulden einzulösen. Gewettet wurde, dass Martin den kompletten Weg von Bangkok nach Kuala Lumpur mit dem Fahrrad zurücklegt ohne andere Verkehrsmittel zu benutzen, ansonsten darf Martina zum allerersten Mal an lebendem Objekt Frisörin spielen. Stolze 2200 Kilometer, was der Strecke Wien – Paris entspricht, hat Martin mit dem Fahrrad abgestrampelt, doch dann kam eine traumhafte Insel und eine Rippenprellung dazwischen. Wette verloren, Haare ab. Und so sieht Martins neuer Style aus.
Am Abend genießen wir im österreichischen Hotelrestaurant köstliche faschierte Laibchen  aus Ziegenfleisch (Kühe sind ja Heilig und Schweine sind unrein), Kartoffelpüree und einen göttlichen Kaiserschmarrn und sind überglücklich. Musikalisch untermalt wird unser Dinner von typischer Rajasthan-Live-Musik. Martin bekommt spontan Trommelunterricht und als sich ein Japaner mit seiner Flöte dazusetzt, entwickelt sich das Ganze zu einer internationalen Jamsession.
Später, beim Kaffeeklatsch mit Helmut erzählt er uns, dass er eigentlich nie vorhatte ein Hotel mitten in der Wüste zu errichten. Sein Plan war, mit einem Oldtimer von Chennai an der Ostküste Indiens nach Oberösterreich zu fahren. Der Oldtimer war allerdings mehr Klappergestell als Auto und in Jaisalmer war dann erstmal Endstation. Helmut war überwältigt von der Art und Weise wie die Menschen hier leben und blieb eine Weile. Er setzte seine Reise zwar fort, kam sogar bis Oberösterreich, doch die Gedanken kehrten immer wieder nach Jaisalmer zurück – und irgendwann auch Helmut. In mühsamer, schweißtreibender Knochenarbeit schleppten er und seine Arbeiter monatelang einen Stein nach dem anderen um das Hotel zu errichten, bis es schließlich fertig war – das Hotel „The Artist“.

 

Helmuts Hotel ist aber nicht nur Hotel, sondern auch Sozialprojekt. Helmut finanziert seinen Angestellten eine Schulausbildung und zwei junge Brüder mit einer tragischen Familiengeschichte sind mittlerweile wie Söhne für ihn geworden. Helmut nahm die beiden Burschen unter seine Fittiche, als der ältere Bruder neun Jahre alt war. Seitdem arbeiten und leben die Beiden bei ihm. Die Burschen kümmern sich liebevoll um uns und die anderen Gäste und gemeinsam mit Martin blödeln sie als Taliban mit falschem Bart vom Frisör nebenan und bunten Turbans durchs Hotel.

Wir versuchen die Begeisterung für diese Stadt zu verstehen begeben uns als Duo auf Erkundungsfahrt. Betrachten beim Morgenaufgang an den prunkvollen Chatris tausende Welse um die Brotstückchen der Passanten käpfen, begeben uns zu den Grabstätten der Maharadjas , erklimmen die Mauern der Festung und spazieren durch die schmalen und verwinkelten Gassen der Stadt. Irgendwann müssen dann auch wir weiter, nach Delhi und wie Martin die 18stündige Zugfahrt mit Lebensmittelvergiftung übersteht, gibt’s nächstes Mal zu lesen.

2 thoughts on “Sand & Forts”

  1. Weltklasse Pixx ! *Daumenhoch*

    wobei: solche zecherl wie jonas hatte mein mädchen auch schon *fg*

    greetz & much fun 4 u

  2. Super Haarschnitt, ich glaub ihr habt eine Ersatzkarriere für Martina gefunden ;-)
    Wahnsinnsfotos wieder, danke!!!
    Liebe Gruesse
    Marlene

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *