Aufregung, Vorfreude, Spannung, Rotorblätter die sich wild drehen, Motorlärm und ein bisschen Panik. Anschnallen bitte, es geht los! Und schon heben wir ab, sind auf dem Weg, gleiten durch die Luft zu einem der größten Abenteuer unseres Lebens: Der Trek zum Mount Everest Basecamp!
Es ist 6 Uhr morgens und wir sind kein bisschen müde. Das Adrenalin in unserem Blut putscht mehr als als jedes Thai-RedBull. Die Stimmung bei den anderen 16 Passagieren in der DHC-6 Twinotter ist ähnlich. Man kann es in den Augen sehen, diese Mischung aus Vorfreude und einem Hauch Angst. Ihr denkt jetzt sicher „was stellen sich die denn so an, ist doch nur ein Flug…“. Ja, ein Flug, aber zu einem der gefährlichsten Flugplätze der Welt. Wir steuern den Tenzing-Hillary Airport in Lukla an.
Nur 457 Meter ist die Landebahn kurz, an einem Ende gehts  600 Meter tief in die steile Schlucht, am anderen Ende ist eine Betonmauer, 12 Grad Hangneigung hat die Landebahn auch noch und nicht nur ein Flugzeug ist hier schon kaputt gegangen. Wir bekommen sogar die besten Plätze. Direkt hinter den Piloten, mit Blick durchs Cockpit auf eine atemberaubende Berglandschaft und eben diese verdammt kurze Landebahn. „Alter Schwede, ist die kurz!“ ist alles was ich denken kann und (zer)quetsche Martins Oberschenkel. Wenn man den Landeplatz durchs Cockpit sieht, will man am liebsten Losbrüllen, Luftpirat spielen, das Flugzeug kapern und die Piloten zum Umdrehen zwingen. Will man, tut man aber nicht. Also zurücklehnen, das Adrenalin im Blut genießen, den Sauerstoffmangel wegen vergessener Atmung ignorieren und schwupps sind wir schon am Boden. Die Piloten sind echt gut. Man bedankt sich lebend aussteigen zu dürfen und freut/fürchtet sich vor dem Rückflug.
In Lukla steigen wir aus dem Flugzeug, der Pilot dreht um, die nächsten Angsthasen steigen ein und der Flieger ist schon wieder in der Luft, bevor wir die Landebahn verlassen haben.

( unseren Landeanflug mitgefilmt )

Kühle, klare, saubere Luft – raus aus dem Smog der Großstadt Kathmandu. Wir atmen so richtig durch. – Das bleibt allerdings nicht lange so. Wir befinden uns jetzt auf 2840 Höhenmetern.
Angkeila (Guide) und Raju (Porter) erwarten uns schon. Ein Handshake, kurzes Beschnüffeln beim Frühstück und wir beginnen den Trek. 14 Tage Fußmarsch, 125 Kilometer die uns von 2800 auf 5350 Höhenmeter führen und wieder zurück, geschätzte 1000 Tassen Tee mit bestimmt 5000 Löffeln Zucker (irgendwo muss die Energie ja herkommen), 50% weniger Sauerstoff als es unser Körper gewöhnt ist und Nächte bei Minus 20 Grad erwarten uns.
Der Trek zum Everest Basecamp ist eine kleine Reise in die Vergangenheit. Es gibt keine Autos oder andere benzinfressende Ungetümer, gekocht und geheizt wird mit getrockneter Yakscheiße, Ochsen pflügen die Felder und Frauen werfen hinter ihnen die Saat aus. Nahrung, Holz, Baumaterial und was sonst noch benötigt wird muss von Yaks, Pferden oder Portern die steilen Pfade hochgeschleppt werden. Die Porter sind übrigens ganz schön harte Hunde, die laufen teilweise mit 80 Kilo am Rücken in vier Tagen bis zum Basecamp rauf – manche sogar in FlipFlops. Respekt an die „human ants“!
Die Landschaft ändert sich täglich, fast stündlich. Die liebliche Mittelgebirgslandschaft, die wir die ersten zwei Tage durchqueren ist noch relativ dicht besiedelt mit Steinhäusern im typischen Sherpa-Stil. Hier laufen auch noch viele andere Touris rum und vor den Hängebrücken kann es schon passieren, dass man man hinter voll bepackten Yaks im Stau steht. Die Hängebrücken sind abenteuerliche Konstruktionen aus Stahlseilen und ein bisschen Eisen, die bis zu 100 Meter lang sind über tiefe Schluchten oder reißende Flüsse in der Farbe von den Gletschereis-Zuckerl (mmh, Kindheitserinnerungen) führen, der Wind fegt von allen Seiten und wenn man nicht im Gleichschritt geht, mutieren die Brücken schnell zu einem Trampolin. Martina findet die Dinger super – so eine Seilbrücke sollte auf jeden heimischen Kinderspielplatz! Martin macht trotz Höhenangst auf supercool und überquert tapfer eine Hängebrücke nach der anderen. Vor unserem Guide als Schissente dazustehen geht ja gar nicht. Wobei bei der Ersten die Knie schon ganz schön weich und die Hose ganz schön voll war.
Die liebliche Mittelgebirgslandschaft verliert zuerst die Bäume, dann die Tannen, anschließend verabschieden sich die Sträucher und auch die Gräser haben irgendwann keine Lust mehr in der lebensabweisenden Hochgebirgslandschaft zu leben. Was übrig bleibt sind Steine, Felsen, gefrorener Boden, Eis und Gletscher. Die schmalen Pfade, die dem Berg abgetrotzt worden sind winden sich manchmal mehr und manchmal weniger steil den Berg hinauf. Die Abhänge neben uns stürzen hunderte Meter in die Tiefe.
Unser Guide kennt Land, Leute, Fauna und Flora. Fröhlich pfeifend, Lieder summend und Geschichten erzählend rennt er den Berg hinauf als wäre es ein Sonntagsspaziergang, während wir uns schnaufend, keuchend und nach Luft schnappend hinterher quälen und aufmerksam zuhören. Deshalb wissen wir jetzt, dass die Yakmilch gar nicht von den Yaks kommt. Die Yaks sind nämlich gstandene Männer und geben keine Milch. Das erledigen ihre Ehefrauen, die Naks. Die bekommen vom Friseur auch regelmäßig einen schicken Haarschnitt verpasst weil die Menschen ihre Wolle brauchen. Die Yaks sitzen aber auch nicht faul zu Hause rum sondern schleppen allerlei Zeugs den Berg hinauf und manchmal auch hinunter. Stürzt einer dabei ab freuen sich alle, dann ist es nämlich Zeit für ein fettes Yak-Steak. (Sherpas schlachten ihre Nutztiere nämlich nicht, das „Yak-Steak“ auf der Speisekarte ist deshalb fast immer Ochse.)
Unser Rhythmus ist beim Trekken komplett anders als sonst. Tagwache ist um sechs und gestärkt vom Frühstück beginnen unsere 5-6 Stunden Fußmarsch. Abendessen gibts spätestens um sieben, dann kurz ein bisschen weniger Frieren am Feuer und spätestens um neun Uhr kuscheln wir uns bei Minusgraden in das kalt-feuchte Bett, eingewickelt in tausend Kleidungsschichten, Daunenjacke und Daunenschlafsack und hoffen, dass wir in der Nacht nicht Pinkeln müssen. Kleiner Vorgeschmack aufs Altersheim –abgesehen vom Marschieren und Frieren.
Je höher wir steigen, desto kälter wird es und desto dünner wird die Luft. Ist logisch und war uns bekannt. Aber Nächte bei minus 20 Grad Zimmertemperatur und nächtliches panisches Erwachen wegen Sauerstoffmangel fühlen sich anders an als es sich liest. Mitten in der Nacht schreckt man hoch und fühlt sich als hätte einen jemand bis kurz vorm Erstickungstod stranguliert. Man japst nach Luft, reißt Decke, Schlafsack, Schal und alle weiteren Kleidungsschichten von Hals und Brust. Man fühlt sich zittrig und vor den Augen tanzen kleine schwarze Pünktchen rum. Ein paar Minuten im Sitzen durchatmen, abwarten bis der Schwindel weg ist und wieder einschlafen – mit ein bisschen Glück bis zum Morgengrauen.
Die Unterkünfte sind einfacher als einfach und sehen überall haargenau gleich aus. Zwei Holzbetten mit unbequemen, feuchten Matratzen stehen in den ungeheizten Zimmern. Die Gemeinschaftstoiletten sind meist Hocktoiletten im Nepal-Stil. Darüber sind wir aber ziemlich froh – bei den Temperaturen mag man eh nicht so gern an der Klobrille festfrieren. Die Hocktoiletten sind da schon lustiger, aus denen ragen nämlich Eisschollen – und die schmelzen dampfend wenn man draufpinkelt. Festgefroren ist übrigens auch das Wasser in den Hähnen. Deshalb stehen neben den Waschbecken auch überall Tonnen mit Wasser und um sich zu Waschen muss man lediglich die Eisschicht an der Wasseroberfläche durchbrechen. Das macht um sechs Uhr früh so richtig Spass und unsere Gesichter bedanken sich mit großen Pickeln für die eiskalte Katzenwäsche.
Und wer sich wundert was die roten Flecken auf den Fotos neben Martinas Mundwinkeln Richtung Kinn sind, das ist quasi Gefrierbrand. – Ja, auch Sabber friert bei so kalten Nächten.
Die Menschen in Nepal sind sehr angenehme Zeitgenossen. Besonders aber die „Sen-Lady“. Die Besitzerin eines der Teehäuser in denen wir übernachtet haben. Wir hatten Glück die einzigen Gäste zu sein und auf die Frage was wir denn gerne essen würden antworteten wir mit der Gegenfrage „Was esst ihr denn?“ Sen steht auf dem Speiseplan und wir dürfen mitessen. Als erste Touris in der Geschichte des Teehauses kommen wir in den Genuss dieses typischen nepalesischen Gerichts und dürfen sogar beim Kochen zusehen. Über dem Yakscheissfeuer brodelt eine Masse aus Wasser, Fett und verschiedenen Mehlsorten und wird unter Rühren zu einer Art Gummibrei. Serviert mit Ochsenfleischgulasch und gegessen landestypisch mit den Fingern. Daumen und Zeigefinger formen eine Mulde in den Senbrei und damit fängt man dann den Gulaschsaft auf –   was gar nicht so einfach ist. Schmecken tut es jedenfalls!
Glücksbrunzer wie wir sind, haben wir beim Aufstieg jeden Tag Kaiserwetter und klare Sicht auf die Himalaya-Gipfel, die sich fast auf Augenhöhe befinden. Der Everest zeigt sich aber nur selten.
Mittlerweile stinken wir schon fast so schlimm wie die Yaks und haben einige Teile unseres Körpers schon seit Tagen nicht mehr gesehen. – sogar zum Umziehen ist es einfach viel zu kalt. Diese Erfahrung bringt uns als Paar zwar näher, über die getrennten Betten sind wir dann aber doch ganz froh.
Heiße Duschen gibt es zwar – prinzipiell. Die sind allerdings ziemlich teuer und nicht wirklich heiß. Probiert haben wir es trotzdem – und ich wundere mich immer noch nicht erfroren zu sein. Dann schon lieber riechen wie Penner. Ist ja schließlich kein Tussiwandertag.
Auf 5140 Höhenmeter legen wir in Gorak Shep eine kurze Mittagspause ein und dann beginnen die letzte Etappe zum Everest Basecamp. Auf dieser Höhe fällt jede Bewegung unglaublich schwer und das Atmen ist fast unmöglich. Durch die Kälte, vorbei an Gletschern und Eiszungen. Fällt in eine Art Trance, wird zum Roboter. Ein Schritt, noch einer und endlich, völlig erschöpft, am Ende unserer Kräfte sind wir am Ziel: Das Everest Basecamp! Stolz, Freude, Glücksgefühl, Euphorie – alles ein bisschen gedämpft durch diese unglaubliche Erschöpfung. Zumindest kennen wir jetzt unsere körperlichen Grenzen, den Punkt an dem gar nichts mehr geht. Immerhin liegt der Gipfel des Mont Blanc – und der ist immerhin der höchste Europas – ganze 540 Höhenmeter tiefer als das Everest Basecamp. Da kann man schon stolz sein, wobei unsere Endstation da ist, wo es für die richtigen Bergsteiger erst losgeht.
Ein paar Fotos und eine kurze Verschnaufpause und wir realisieren: wir sind ja gar nicht am Ziel. Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück bis Lukla. Das ist der Zeitpunkt, an dem man am Liebsten losheulen möchte wie ein kleines Baby.
Der Weg zurück nach Gorak Shep – wo wir auf 5140 Höhenmeter unsere höchste, aber auch kälteste Nacht verbringen – wird mir ewig in Erinnerung bleiben als: „Der Tag an dem ich sterben wollte.“
Das Wetter schlägt um. Es beginnt zu schneien und eiskalter Wind macht das Atmen noch anstrengender. Wir versuchen keinen Zentimeter Haut der Kälte und dem Wind preiszugeben.
Ob die Kopfschmerzen von der Erschöpfung, dem Wetterumschwung oder der Höhe kommen weiß keiner, sicher ist aber, dass mit Höhenkrankheit nicht zu spaßen ist. Zu viele Touristen haben wir per Hubschrauber nach Lukla zurückfliegen sehen und zu viele Schauergeschichten haben wir gehört. Martina geht also am nächsten Tag nicht mit zum Kalar Patthar, der nochmal knapp 300 Meter höher liegt als das Everest Basecamp. Martin fühlt sich einigermaßen fit, wagt den kräftezehrenden Aufstieg um vier Uhr früh und wird mit einem atemberaubendem Panorama belohnt.

Der Weg zurück nach Lukla ist um einiges beschwerlicher als der Aufstieg. Kling komisch, ist aber so. Die Muskeln sind geschwächt, man ist erschöpft, die Motivation fehlt weil man ja sein „Ziel“ schon erreicht hat und man hat alles schon mal gesehen. Hinzu kommt das schlechte Wetter. Der kalte Wind wirbelt Staub auf, die Sicht ist schlecht und es ist um ein vielfaches kälter als beim Aufstieg. Martina kann man irgendwann nur noch mit Keks-Bestechung dazu bringen weiter zu gehen und Angkaila erntet bei jedem Anstieg böse Blicke. Es geht nämlich auch auf dem Rückweg längst nicht nur bergab, einige Pässe müssen überquert werden. Wir sehen in der Ferne eine Gruppe Menschen und vermuten sofort einen Touristenstreik. Wir erwarten Sprechchöre, Banner mit der Aufschrift „No more walking! No more walking!“, fliegende Flaschen, Pfefferspray und Ausschreitungen. „Look!“, sagt Angkaila „ein Neujahrsumzug!“
In Kathmandu genießen wir die heiße Dusche und den zarten Duft des Duschgels – fünf Mal am Tag. Bis wir das Gefühl haben endlich wieder richtig sauber zu sein.
Eigentlich wollten wir ja von Nepal auf dem Landweg nach Tibet und dann noch bisschen Rest-China erkunden. Aber die Chinesen und ihre komischen nervigen Einreisebedingungen (vor allem wenns um Tibet geht) haben uns die Pläne ändern lassen. Es geht ans Meer! Wir fliegen nach Bali und präsentieren dort unsere frisch antrainierten Bergsteigerwadeln am Strand. HA!

 

 

7 thoughts on “No more walking !”

  1. Ihr seids ja die aergsten!!!Wahnsinn!!!Gratuliere, da habt ihr echt ein Abenteuer hinter euch gebracht!
    Wir feiern heute Independence Day mit unseren nepalesischen Freuden, aber bei brütender Hitze ;-)
    Alles Liebe!
    Marlene

  2. Wiedermal ein super toller Bericht und ihr könnt wirklich wahnsinnig stolz auf Euch sein.
    Bussi aus Deutschland und danke, dass man an Eurer Reise so toll mitleben kann.
    Ricki

  3. Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen was Bea und ich letztens gesehen haben: Top 10 Bad Ass Airports :-) …Ja richtig Lukla war einer davon *gg* …Hoffe euch beiden gehts nur halb so gut wie auf den Fotos zu sehen… ALLERBESTE GRÜßE: MarBea feel hugged !

    1. Hey, ja hab grad noch ein wenig geguckt. Laut History Channel sogar Nr1 der extremsten Airports der Welt. Ach, so schlimm war es nicht aber sehr sehr aufregend.

  4. wie muss es da wohl einer gerlinde kaltenbrunner gehen wenn das auf 5140 höhenmeter schon so anstrengend ist?! also ich hab trotz des unglaublich abenteuerlichen berichts keinen gusta auf trekking bekommen! aber bei eurem landeanflugvideo hab ich mitgeschwitzt ;-)
    lg alex

  5. Ich entschuldige mich, wenn diese Übersetzung ist falsch, ich bin mit Google Translate. Es ist so erstaunlich zu sehen, Ihre Geschichten zum Leben erweckt, als ich die Filme zu sehen und schauen Sie sich Ihre Fotos. Halten Sie dabei die Fotos und die Geschichten teilen!

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