Schrill läutet der Wecker in der Arbeiterbaracke. Es ist zwei Uhr nachts. Minuten später beginnen die Männer den beschwerlichen Weg durch die Dunkelheit zu ihrer Arbeitsstätte – dem Krater des 2.600 Meter hohen Ijen Vulkans auf der Insel Java. Der Vulkan ist eine der vielen Naturschönheiten Javas – er ist aber auch Arbeitsplatz für über 200 Schwefelarbeiter.

Der Arbeitstag der Männer beginnt mitten in der Nacht. Tagsüber ist es für den Knochenjob viel zu heiß und neugierige Touristen, die im Weg stehen, erschweren den Abtransport zusätzlich. An die Touristen, die den Vulkan besuchen, haben sie die Arbeiter gewöhnt. Gegen das Entgelt von einer Zigarette wird gerne für Fotos posiert und mit kleinen Stücken Sulfur, die in Form von Schildkröten oder anderen Tieren gegossen werden, verdienen sie ein paar Euro nebenher. Meist sind die Kunstwerke noch warm, wenn sie den Besitzer wechseln.

Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen des Morgengrauens geben Stück für Stück den Blick auf die atemberaubenden Felsformationen und den surreal türkis leuchtenden Kratersee preis, der von Geologen oft als „größtes Säurefass der Welt“ bezeichnet wird. Das Wasser ist ätzend genug um Kleidung zu zersetzen und sich durch Metall zu fressen.

Am Ufer des Sees befindet sich eine der aktivsten Solfataren der Erde die gleichzeitig die bedeutendste Schwefelansammlung Indonesiens ist. Der Schwefel wird für Streichhölzer, zum Bleichen von Zucker und zur Vulkanisation von Kautschuk benötigt.
Inmitten der hochgiftigen Gase, die die Fumarolen ausstoßen, arbeiten die Schwefelarbeiter. Eine Taschenlampe, Gummistiefel und zwei Körbe, die von einem Stück Bambus zusammengehalten werden, sind ihr einziges Handwerkszeug.
Geschützt nur durch einen alten Lumpen, der vorher in Wasser getränkt wurde und den die Arbeiter lose im Mund haben, zerteilen sie das blubbernde glühende Sulfur in große Stücke. Schutzanzüge und Gasmasken können sich die Männer nicht leisten. Es ist heiß und der Krater ist voll von dickem, giftigen Schwefelrauch, der der Umgebung einen gelben Schleier verpasst. So auch den Arbeitern, auf deren Haaren und Wimpern sich bereits nach Minuten gelbe Partikel abgesetzt haben. Der beißende, gesundheitsschädliche Geruch bewegt sich irgendwo zwischen verfaulten Eiern und Ammoniak.

Ijens unnachgiebige Landschaft, macht den Einsatz von Maschinen zum Abbau unmöglich. Die Arbeiter sind auf pure Muskelkraft angewiesen, wenn es um den Transport des Schwefels geht.
Bis zu zehn Tonnen Schwefelgas fördern die Fumarolen am Ijen täglich. Rohre aus Keramik fangen die Gase ein, der Schwefel kondensiert und wird durch ein Rohrsystem zur Entnahmestelle geleitet. Aus den Fumarolen rinnt blubbernd das bis zu 120 Grad Celsius heiße blutrote Sulfur. Während es abkühlt, verwandelt sich dessen Farbe Schritt für Schritt in ein leuchtendes Gelb.
Das Sulfur wird in Stücke zerteilt, in Bambuskörbe verladen und von den Männern zur Wiegestation gebracht. Je nach Stärke des einzelnen Individuums wiegt die Last bis zu 100kg – oft fast das Doppelte des Körpergewichts der Männer.
Geplagt von unkontrollierbaren Hustenanfällen, tränenden Augen und schmerzenden Rücken, kämpfen sich die Schwefelarbeiter langsam nach oben. Das knackende Geräusch der überladenen Bambuskörbe auf ihren Schultern ist ihr ständiger Wegbegleiter. Die Pfade sind steil und lose Steine machen jeden Schritt unberechenbar. Ein Schritt in die falsche Richtung kann bei diesem Balanceakt den Tod bedeuten.
Bei der Basisstation – auf halbem Weg – wird gewogen. Bezahlt wird nach Gewicht. Obwohl die Entlohnung für westliche Standards lächerlich gering ist – vor allem in Anbetracht der Arbeitsbedingungen – ist der Lohn dennoch signifikant höher als bei jedem anderen Job, den die Männer hier in der ländlichen Gegend Ost-Javas machen könnten.
Bei der Wiegestation wird eine kurze Pause eingelegt – meist auf eine Zigarettenlänge, bevor die schwere Last erneut geschultert und weitere drei Kilometer zur Sammelstelle an der nächsten Straße gebracht wird. Zwei bis drei Mal pro Tag legen die Arbeiter diesen Weg zurück.

Die ständige Belastung verursacht bei den Männern Schmerzen, die kaum zu ertragen sind. Durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, ist die Lebenserwartung der Arbeiter sehr niedrig. Die größten Gesundheitsprobleme betreffen die Lungen. Viele der Männer klagen über verätzte Augen, kaputte Rücken und vernarbte Haut auf den, durch die Last, deformierten Schultern.

„Ich versuche genug Geld zu verdienen, um meinen Kindern eine Ausbildung zu finanzieren, damit sie nicht auch eines Tages im Krater arbeiten müssen“, sagt einer der Arbeiter.

5 thoughts on “Schwefel und der ..”

  1. Oh, das ist ja echt traurig unter welchen Bedingungen die Männer hier arbeiten müssen :-(
    Danke für den tollen Bericht und die Fotos!
    Liebe Gruesse
    Marlene

  2. michael glawogger hat in seinem film working man´s death die situation der schwefelarbeiter schon recht anschaulich beschrieben! schräg find ich in diesem film wie die arbeiter immer wieder an vor dem vulkan für fotos posierende touristen vorbei müssen. da prallen dann echt wieder einmal lebenswelten aufeinander! wie eindrucksvoll muss das dann sein, wenn man das selbst hautnah erlebt ! wahnsinn! hast du eine ahnung wie viel die arbeiter für einen marsch verdienen?

    1. Hey Alex,

      Also wir haben mit unserem Guide gesprochen und es sind so ( bei ca. 70 Kg pro Fuhre ) 4-5 Euro pro Marsch. Den Tourismus muss man mit so und so betrachten. Sie machen mit kleinen Sandformen so Schwefelfiguren die sie dann für 50 Cent an die Touristen verkaufen. Auch wenn du es nicht haben willst, du kaufst es einfach und das ist gut so. Es ist tatsächlich so, dass zwei Welten zusammen prallen. Die “reichen” Touristen und die Arbeiter. Diese Kontraste erlebst du fast in jedem Land. Solange man sich mit Respekt behandelt, ist das aber auch in Ordnung. Unser Guide hat uns auch immer darauf hingewiesen, dass dies ein Arbeitsplatz ist und keine Showbühne und man soll immer aus dem Weg gehen und die Leute nicht aufhalten.

  3. Hallo! Hab soeben im Geo 6/2004 einen Bericht über genau diesen Vulkankrater und die Abbaubedingungen gelesen! Heftig. Wie du sagst, die Kluft zwischen denen die viel besitzen und denen, die wenig besitzen gibt es (beinahe?) auf der ganzen Welt. Und man kann hin und herphilosophieren warum und wieso und seit wann das so ist, ändern tut es nichts. Solche Berichte relativieren aber die “Alltagsschwierigkeiten”, die wir daheimgebliebenen so haben… :) Danke und weiterhin ergiebige Reise!

  4. ich seh euch als “botschafter” als multiplikatoren sozusagen ! ja ihr berichtet und das hat auswirkungen! wir setzen uns zumindest damit ein bisschen auseinander und das ist gut so macht weiter! ich werd versuchen solche themen immer und immer wieder im unterricht zu “verkaufen”

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