„Sabah ist so schön, hier gibt es so viele Palmen…“ Ein bisschen dämlich ist sie schon, die Touristin hinter uns im Bus, aber leider hat sie recht. Nicht mit dem Schön, aber mit den Palmen. Kilometer um Kilometer Palmölplantagen. Monokultur vom Feinsten. Stück für Stück verschwindet hier einer der ältesten Regenwälder der Welt um der gewinnbringenden Ölfrucht Platz zu machen. – An dieser Stelle auch die Bitte an euch, euren eigenen Palmölkonsum zu überdenken. Palmöl versteckt sich im Waschmittel, in Kosmetikprodukten, Margarine, Schokolade und sogar in der Tiefkühlpizza beim Spar um die Ecke. Deckname „Pflanzenfett“ sagt wohl alles.
Der malayische Teil von Borneo ist unterteilt in Sabah und Sarawak. Im modernen Sabah sind die Straßen gut, die Häuser hoch und der Dschungel fast nicht mehr vorhanden. Unberührte Natur, Regenwald und Orang Utans in freier Wildbahn – das ist schon ein paar Jahre her.
Die Aufzuchtstation für verwaiste Orang-Utans in Sepilok mussten wir uns natürlich trotzdem anschauen – schwerer Fehler. Pünktlich zur Fütterungszeit, darf man unseren nächsten Verwandten aus dem Tierreich mit 300 anderen Touris auf einer Plattform beim Essen zusehen. Da frag man sich wer hier die Affen sind…
Interessanter war unser Hotel in Sandakan. Ohne Fenster, im blau-weißen Krankenhaus-Look und der Gestank nach Pisse so penetrant, dass man in der Nacht mit Brechreiz munter wird. Die „Bettnässen verboten“ Schilder hat der Besitzer scheinbar zu spät drucken lassen. Dafür gibts einen großen Flatscreen und tausende DVDs zum Ausleihen. – Falls man es für die Dauer eines Films im Zimmer aushält. Wenigstens gabs hier ein Fenster. In Kota Kinabalu hatten wir nämlich nicht so viel Glück. Drei Stockbetten in einem fensterlosen Dorm und der Duft nach Käsefüßen einfach atemberaubend. Jaja, so geht es uns armen Backpackern, wobei für EUR 2,50 pro Nacht und Nase muss man diese halt manchmal zudrücken.
In Semporna schließen wir Freundschaft mit unzähligen Meeresschildkröten und während Martin sich über seine chinesischen Tauchbuddies ärgert, die irgendwie alles machen was sie NICHT sollen, muss Martina ihrer Tauchlehrerin alle möglichen Kunststückchen unter Wasser nachmachen. Belohnt wird sie mit einer kleinen Karte mit der Überschrift „Certified Padi Open Water Diver“.
Semporna an sich ist eine nicht besonders hübsche, muslimisch geprägte Hafenstadt und hat abgesehen von einigen wunderschönen Tauchplätzen nicht viel zu bieten. Nach Sipadan – angeblich die Königin der Tauchspots – konnten wir aber leider nicht. Die Anzahl an Tauchern pro Tag ist reguliert und über Wochen hinweg ausgebucht. Will man – so wie wir – spontan in Sipadan tauchen, legt man knappe 200 Tacken unserer „harten“ Währung auf den Tisch. Nix für unser Backpacker-Budget. Aber für ein paar Bier mit unseren dänischen Tauchkameraden und die bestimmt grauslichsten Spaghetti der Welt, reicht es allemal.
Viel schöner als Sabah und definitiv unser Borneo-Highlight ist Sarawak. Hier findet man noch unberührten Dschungel, traditionelle Langhäuser und Flüsse in der Farbe von Kakao. Mit dem Speedboat fetzen wir von Sibu nach Kapit. Inklusive vier Stunden Dauerbeschallung der neuesten Spiderman-Verarsche in Endlosschleife. Ab Kapit ist nur noch Urwald. Von dem kleinen Ort geht’s mit einem ähnlichen Boot weiter nach Belaga – diesmal in Begleitung. Paul, ein Journalist im Ruhestand slash Buchautor aus Australien wird ein paar Tage mit uns reisen. Kennengelernt auf einer Straßenkreuzung – lieb gewonnen bei Satay-Spießchen am Nightmarket. Natürlich auch hier mit an Bord: Flatscreen-TV. Diesmal wird uns 90er Jahre Wrestling aufgezwängt. “Undertaker” und Co. beim Köpfe einschlagen zusehen? – Nope, dann schon lieber aufs Dach des Speedbootes klettern und die Fahrt von dort aus genießen. Nicht ganz ungefährlich aber mit Grundkenntnissen im Balancieren durchaus machbar. Und ganz bestimmt die bessere Wahl. Links und rechts die riesigen Bäume des Regenwalds, alle paar Kilometer ein Langhaus, Fischer auf ihren kleinen Booten, Adler über uns, Stromschnellen unter uns. Ja, so haben wir uns Borneo vorgestellt!
In Belaga angekommen, quartieren wir uns im einzigen Homestay bei Daniel ein. Ob wir im Wasserfall duschen möchten? Sowieso! Nur zehn Minuten mit dem Boot von hier, die FlipFlops sollen wir im Boot lassen, heißt es. Dass wir dann noch 20 Minuten barfuß durch den Dschungel laufen müssen hat Daniel wohl vergessen zu erwähnen. Irgendwie komisch mit nackten Füßen durch Borneos Dschungel zu laufen – in meinen Indiana-Jones-Vorstellungen hatte ich immer gescheite Wanderschuhe an. Wobei, beim Durchqueren von Wasserläufen sind Schuhe sowieso eher unpraktisch.
Unser Zimmer bei Daniel wimmelt nur so von allen möglichen Insekten, die vom Licht angezogen werden. Hello Jungle! Nach einer kurzen Schlangen-Spinnen-Inspektion des Bettes werden wir von den Geräuschen des Regenwalds in den Schlaf gesungen. Ein paar unfreiwillig verschluckte Insekten als Mitternachtssnack gibt’s bei Daniel gratis dazu.
Am nächsten Tag unternehmen wir eine Reise in die Vergangenheit. Eine halbe Stunde Bootsfahrt bringt uns in das Borneo vor hundert Jahren. Im traditionellen Langhaus der Iban begrüßen uns die alten Frauen oben ohne, mit Ohrläppchen die bis zu den Schultern hängen und die Arme und Beine bis zu den Knien bzw. Ellbogen mit traditionellen Tattoos übersät. Die alten Männer sitzen Pfeife rauchend auf der Holzveranda des Langhauses. Viele von Ihnen sind Kopfjäger im Ruhestand. In ihren jungen Jahren sind sie noch mit Blowpipes auf die Jagd gegangen, heute zeigen sie uns stolz ihre hausgemachten Gewehre.
Es ist Sonntag-Nachmittag und wie könnte man sich hier besser die Zeit vertreiben als mit einem blutrünstigen Hahnenkampf. Fast alle Männer des kleinen Dorfes am Ufer des Rajang Flusses sind anwesend. Sie trinken Bier, rauchen Zigaretten, platzieren ihre Wetten und warten auf den Kampf. Obwohl die brutalen Hahnenkämpfe in vielen Ländern per Gesetz verboten sind, finden sie in den Hinterhöfen immer noch statt. Scharf wie Rasierklingen sind die Sporne, die an den Füßen der Hähne befestigt werden. Eine Hülle aus Plastik schützt die Hände der Männer vor Verletzungen. Die Klingen dienen als Ersatz für die abgeschliffenen Krallen, mit denen die Tiere natürlicherweise kämpfen würden. Eine kurze Sekunde lang umkreisen die Vögel einander, die bunten Federn am Nacken zu einem Fächer aufgestellt. Dann beginnen sie zu kämpfen, fliegen durch die Luft, prallen aneinander, tauschen Schläge mit den bis zu zehn Zentimeter langen Spornen aus. Die Klingen bohren sich durch die Federn in das Fleisch der Tiere. Kurz darauf liegt einer der beiden Hähne leblos mit tiefen, blutenden Wunden am Boden. Nach ein paar Sekunden ist alles vorbei.
Das Longhaus ist komplett aus Holz. Wir zählen 48 Türen. 48 Familien leben hier unter einem Dach. Die große Veranda dient als Gemeinschaftsraum. Überall laufen Kinder und Hühner herum. Die Jugendlichen vertreiben sich die Zeit mit „Fußvolley“ – einer Mischung aus Fuß- und Volleyball. Sie tragen Jeans und finden das Leben hier mitten im Dschungel wahrscheinlich gerade ziemlich uncool. Eine der alten Frauen bedankt sich mit ein bisschen zu intimen Küsschen für die mitgebrachten Kekse und lädt uns in ihr Haus zum Schnaps trinken ein. Die ganze Familie sitzt in dem dunklen, schwülen Raum. Wir trinken ein Gläschen, essen Kekse und lächeln uns an. Manchmal ist es gar nicht so wichtig die Sprache des Anderen zu verstehen.
Übernachten dürfen wir bei Ugud und seiner Familie. Er ist Gemüse- und Reisbauer und seine Frau serviert uns ein köstliches Abendessen mit Hühnchen, Fischsuppe, Salat und natürlich Reis aus eigenem Anbau. Nur eine Handvoll Familien im Dorf haben für ein paar Stunden am Tag Strom. Uguds Familie ist eine davon. Stolz zeigt er uns seinen Fernseher und DVD Player und als der Generator pünktlich zu Sonnenuntergang laut ratternd anspringt, kommen wir in den Genuss einen der neuesten Actionfilme mitten im Dschungel zu sehen. Fühlt sich irgendwie komisch an. Um neun geht der Strom aus – Sprit für den Generator ist teuer. Unser Schlafplatz ist eine Bambusmatte am Holzboden im Wohnzimmer. Nicht gerade 5 Stern Luxus, aber eine tolle Erfahrung. Das ganze Dorf scheint schon zu schlafen, ab und zu hört man ein Husten in der Ferne, ansonsten nur die mittlerweile vertrauten Geräusche des Regenwalds. Hier könnte man ein bisschen länger bleiben, denke ich bevor ich einschlafe.
Borneo verlassen wir also mit gemischten Eindrücken aber dafür mit einer ATR 72 von der Martin begeistert ist und voller Vorfreude auf die Philippinen. Auf dem Flug dahin geht’s mal wieder nur um die Größe. Vom kleinsten Bord-Entertainment (mit den lustigsten Safety Instructions) bis zum größten Mega-BigMac beim Zwischenstopp.

 

2 thoughts on “Borneo”

  1. nach diesem super essen (reis aus eigenem anbau ich mein wer hat das schon?!) den super mega burger – muss wohl sein ….kommt weiterhin immer gut an und danke für den spannenen tschungelausflug

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