Wir sind auf den Philippinen, wir sind im Puff. Nein, wir sind keines „dieser“ Pärchen und mit unserer Beziehung ist auch alles in Ordnung. Der Inder neben uns mit der jungen Filipina im Arm ist uns sympathisch, weil er uns ein Bier spendiert und gleichzeitig unsympathisch weil er das hübsche Mädchen für 24 Stunden „gemietet“ hat. Gestern war es eine Andere und davor…naja, sagen wir einfach das geht uns nix an.

Vor uns tanzen die Mädels auf der Bühne gelangweilt die schlechteste Choreografie die ich jemals mit ansehen musste zu R&B der derbsten Sorte. Außer die Blonde in der Mitte. Die gibt richtig Gas. Als wäre es ein Casting für das neueste „Snoop Doggy Dog“-Video. „Wer so tanzt, der muss durstig sein“, denken wir und lassen uns das Mädchen mit der Nummer 27 an den Tisch holen um ihr ein wirklich teures Bier zu spendieren. Ja, richtig. Alle Mädels tragen eine Nummer – und das Ergebnis ihres letzten HIV-Tests. Die Nummern haben verschiedene Farben. „Warum?“ fragen wir unsere neue Tischgenossin mit der grünen 27. „Blau kostet mehr….und gelb weniger…“ Ahhhhja. „Und wer entscheidet das?“ Sie grinst:“Der Chef natürlich!“ Natürlich, dumm von mir… „Aber nach welchen Kriterien?“ Es geht um die Größe des Busens, des Hinterns und natürlich um die Hautfarbe – Je heller umso teurer, erklärt sie uns. Is ja logisch. Hätt ma auch selbst draufkommen können.

Das ist „Business as usual“ in der Field Street in Angeles City. Die Field Street in der Stadt mit der ehemaligen Militärbasis der Amis ist das filippinische Äquivalent zur Reeperbahn in Hamburg und dem Rotlichtviertel in Amsterdam. Eine Folge der tausenden einsamen amerikanischen Soldaten, die hier jahrelang stationiert waren. Heute sind zwar nur noch ein paar ehemalige Soldaten hier – meist seit Jahren verheiratet – der Sextourismus boomt aber trotzdem. Es wimmelt von Männern unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Grad an Unattraktivität, die hier auf der Suche nach flüchtigem Glück oder „der wahren Liebe“ sind. – Scheint als sei das „Nissel-Syndrom“ ansteckend!

Als uns die Bar wieder ausspuckt, sind wir betrunken und neugierig. „Da drüben ist eine Texas-Bar, da gibt’s sicher Cowgirls!“ Nope – nur Mädchen in schlecht sitzenden Bikinis und schlechte Choreografie. „Cleopatras in der Bar die wie eine Pyramide aussieht?“ – Same, same. „Piratinnen in der „Pirates-Bar“? – Ich muss es euch nicht wirklich sagen, oder? So wanken wir von Bar zu Bar, immer mit einer Handvoll nervender Viagra-Verkäufer im Schlepptau.

YAY! Ein Beauty-Contest! Und gratis Popcorn!“ Wir kommen pünktlich zur Siegerehrung. Die Dame mit dem Krönchen und dem Sissi-Kleid steht tränen-wegfächernd auf der Bühne. Eine echte Miss-World im Puffbezirk. Fotografieren war in den Lokalen leider verboten, schade um die schönen Bilder – sorry dafür!

In Angeles City dreht sich also alles um die verschiedenen Abstufungen von „Liebe“. Daneben gibt es dann noch ein Militärmuseum, unzählige Fast-Food-Restaurants, die günstigsten weltbesten Donuts und Jeepneys. Die Jeepneys sind Army-Jeeps, die die Amerikaner nach dem zweiten Weltkrieg zurückgelassen haben. Sie wurden von den Filipinos ein bisschen umgemodelt, bunt angemalt, mit jeder Menge Kitsch verziert und dienen seitdem als öffentliche Busse – Eine tolle Alternative – Daumen hoch!

Dass auf den Philippinen gerade Regenzeit ist, wussten wir. In Angeles City heißt das viel Regen. In Bagio – sechs Busstunden nördlich und einige Meter höher heißt das viel KALTER Regen. Der erste Tropfen fällt vom Himmel und Sekunden später ist der Wasserdruck der tollsten Dusche ein Schas oder wie Duden sagt, eine „hörbar entweichende Blähung“ dagegen. In Kabayan, weitere sechs Busstunden nördlich und noch etliche Meter höher wird uns der Taifun – den die Filipinos liebevoll „Julian“ nennen – fast schon unsympathisch. Julian bringt nämlich nicht nur Regen, Wind und Kälte, er ist auch schuld an diversen Erdrutschen, die unsere Busfahrt – nun, sagen wir mal – „interessant“ machen. In Kabayan angekommen gibt’s in unserer Unterkunft, die soundso schon wie eine Gefängniszelle aussieht, keinen Strom – dafür romantischen Kerzenschein. Ob Julian auch daran Schuld hat?

Ach ja, den weiten Weg in das kleine unbekannte Dorf mitten im Nirgendwo haben wir auf uns genommen um die Mumien zu besuchen, die dort zu Hause sind. Die schlummern friedlich in Höhlen mitten in den Bergen. Touristen kommen hier eher selten vorbei, Wegweiser zu den Mumien gibt’s keine. Wir brauchen also einen Guide. Einen Ladyboy hätten wir aber nicht unbedingt erwartet. In Flip-Flops, mit einem Handtuch um die langen Haaren geschlungen und mit einem Regenbogen-Regenschirm steht er um sechs Uhr morgens vor unserer Gefängniszelle. Sein Aufzug war für uns gleichbedeutend mit „das kann kein anstrengender Marsch werden“. Oooh wie man sich täuschen kann!!! Was folgte war ein vierstündiger Marsch im schlimmsten Regen seit Noah über den Bau der Arche nachzudenken begann – und das war erst der halbe Weg. Wind, Schlamm, Wege die von Erdrutschen zugeschüttet waren (man könnte auch unpassierbar sagen wenn man kleinlich ist) kleine Wasserfälle, wo vorher noch nie Wasserfälle waren und Wege die sich in reißende Bäche verwandelten und uns bergab entgegen strömten wo wir bergauf mussten. Bei der tollen „Abkürzung“ hat Martina dann noch zwei gratis Schlammbäder genommen, was ausnahmsweise wirklich nicht an ihrem gestörtem Gleichgewichtssinn lag. Ich glaube das war der Zeitpunkt an dem es anfing keinen Spaß mehr zu machen.

Glücklicherweise kam uns ein Pick-up entgegen – unglücklicherweise wollte er uns nicht mitnehmen. Ja, wir haben Geld angeboten – gar nicht so wenig sogar! Der zweite Versuch Laufen gegen Fahren einzutauschen, kostete zwar ein kleines Vermögen, dafür bekamen wir aber Tee, ein paar Minuten am Feuer und einen persönlichen Hofnarren in Form vom jüngsten Kind der Familie dazu.

Bei den Mumien angekommen, können wir nur sagen: TOTALLY WORTH IT!!!

Unser femininer Guide öffnet das Tor zur Höhle. Bevor er uns hereinwinkt, entschuldigt er sich bei den Mumien für die Störung – Mumien will man auch hier nicht zum Feind haben. Die Mumien-Villa ist platztechnisch nicht gerade großzügig und deshalb bekommen wir unsere Audienz nur nacheinander. Quetscht man sich durch den Eingang, ist man dafür sofort Nasenspitze an Nasenspitze mit seinen Gastgebern. Ein bisschen zu Nahe für meinen Geschmack – schließlich hat man sich doch gerade erst kennengelernt.

Es riecht irgendwie komisch, nicht nach Tod, nicht nach Verwesung, aber komisch und es ist ein bisschen gruselig, nicht Albtraum-gruselig aber definitiv gruselig. Die erste Mumie starb bei einer Art Not-Kaiserschnitt. Der Bauch ist geöffnet und man kann die einzelnen Organe gut gerkennen. (Im Gegensatz zu den ägyptischen Mumien, entnahmen die Ibaloi ihren Toten das Gehirn und die inneren Organe NICHT vor der Mumifizierung) Der Schmerz steht ihr noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Die zweite Mumie hat den Mund weit aufgerissen, die Hand vor dem Gesicht als wollte sie sich vor der nicht vorhandenen Sonne schützen. In der zweiten Höhle öffnet unser Guide einen Sarg, der eine ganze Familie beinhaltet. Die Mumien sind so gut erhalten, dass man die Tätowierungen an Armen und Beinen gut erkennen kann.

Wissenschaftler vermuten, dass die Mumifizierung dieser Toten bereits zwischen 1200 und 1500 stattgefunden hat. Im Zuge der Kolonialisierung durch die Spanier nahmen die Menschen in Benguet den christlichen Glauben an und fingen an ihre Toten zu begraben. Die Mumien in ihren Höhlen wurden vergessen und erst um 1900 wieder entdeckt.

Besonders ist nicht nur das Alter und der gute Zustand der Mumien, sondern auch der Mumifizierungsprozess. Die sogenannte „Feuer-Mumifizierung“ begann nämlich bereits während die Person im Sterben lag – vor dem eigentlichen Tod. Bevor die sterbende Person ihren letzten Atemzug nahm, wurde ihr eine große Menge hochkonzentrierter Salzlösung zu trinken gegeben. Nach dem Tod wurde der Leichnam auf einen hohen Stuhl gebunden und über Feuer getrocknet. Tabakrauch wurde den Toten in den Körper geblasen um Würmer und andere Parasiten auszutreiben. Der Prozess zog sich über Wochen, manchmal Monate hin. Erst dann wurde der Körper – der während des Trocknens einiges an Volumen verlor – in einen Sarg in Form einer Nussschale zur Totenhöhle gebracht.

Das war unsere erste Begegnung mit Mumien. Entgegen ihrem Ruf recht angenehme Zeitgenossen, aber sehr gesprächig sind sie nicht.

2 thoughts on “Mummies & Hookers”

  1. nun ja es darf auch mal (ein bisschen) regnen! sonst könnte man ja irgend wann schließlich ein klein wenig neidig werden! ;-)

  2. Da haettets nicht so weit reisen muessen…In St.Thomas am Blasenstein gabats auch eine Mumie, den luftgselchten Pfarrer ;-)

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